In der Ausgabe 2020/ Winter erzähle ich, wie ich einen persönlichen Verlust erlebe:

Wenn jemand Nahes stirbt, fühle ich den Schmerz des Verlusts, Bedauern und die Grenzen meines Wissens. Ich lasse diesen Schmerz ganz bewusst als Form meiner Zuneigung für diese Person zu, um das Mass meiner Leidensbereitschaft für diesen Menschen zu begreifen. Je mehr ich es bedauere, Gelegenheiten ungenutzt gelassen zu haben, während die Person noch ge- lebt hat, umso mehr schäme ich mich dafür, und zwar aus unterschiedlichen Gründen: Es ist mir peinlich, wie sehr ich in der Illusion der Kontrolle gelebt habe («das hat noch Zeit»), aber auch, dass ich so egozentrisch bin und mich auf «ungenutzte Optionen» konzentriere statt auf die Person an sich. Ich werde überwältigt von den grossen Fragen nach dem Sein und Nicht-Sein. Statt mit diesen Fragen zu ringen, setze ich mich in das Auge dieses inneren Wirbelsturms der Theorien und verhar- re dort, ohne mich mitreissen zu lassen. Es tröstet mich, dazu in der Lage zu sein, zu existieren – ohne zu verstehen, wie das überhaupt möglich ist.

Melanie Hartmann (35), frei denken 20/4

Die ganze Ausgabe zum Thema „Was bleibt? Über Sterben, Tod und das Danach“ ist im Volltest auf der Webseite der Vereinigung nachzulesen.

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